Alles begann in den Rocky Mountains

Woher kommt eigentlich der Begriff négaWatt und die Abkürzung nW? Der Begriff wurde von Amory Lovins geprägt, einem amerikanischen Wissenschaftler und Leiter des Rocky Mountain Institutes (RMI), einer Einrichtung, die sowohl ein Forschungszentrum als auch eine NGO ist, die im Bereich Energie und Umwelt arbeitet. Einige von Ihnen kennen Amory Lovins vielleicht als einen der drei Autoren des Buches Faktor 4, das 1996 veröffentlicht wurde, und das anhand zahlreicher Beispiele zeigte, wie man mit doppeltem Komfort leben und dabei nur halb so viel Energie verbrauchen könnte.

1990 verwendet Amory Lovins zum ersten Mal den Begriff négaWatt. Mit diesem will er dem Energiesparen einen Namen geben, um Konzepte zu diesem Thema entwickeln zu können. Nach einem Treffen in Paris zwischen Amory Lovins und mehreren französischen Energieexperten wird der französische Verein ins Leben gerufen. Offiziell wird er im September 2001 gegründet. Die Grundidee ist die folgende: Wir leben in einem Energierausch, wir brauchen keine zusätzlichen Megawatt, wir müssen lernen, Energie zu verstehen und zu sparen oder négaWatt zu erzeugen, indem wir unseren Energiebedarf überdenken.

Um die Entstehung von négaWatt besser zu verstehen, muss man die Situation der Energieversorgung in Frankreich in Erinnerung rufen, die damals stark von der EDF (Electricité de France) geprägt war. EDF war der einzige nationale Kraftwerksbetreiber, und verfolgte in den 1970er Jahren eine Politik, die ausschliesslich auf Atomenergie fokussierte, insbesondere unter der Leitung von Premierminister Pierre Messmer. Abweichende Stimmen und Analysen waren selten. Zu den Ausnahmen gehörte jedoch der „Plan Alter“, eine Zukunftsstudie einer Gruppe unabhängiger Experten (Philippe Chartier, Philippe Courrèges, Théo Leray und Benjamin Dessus), die sich unter dem Namen „Groupe de Bellevue“ zusammengeschlossen hatten und aus Mitgliedern des CNRS, des Collège de France, von Electricité de France und des Institut national de la recherche économique (Nationales Institut für Wirtschaftsforschung) bestand. Sie alle befassten sich beruflich mit der Forschung im Bereich der erneuerbaren Energien. Im Vorwort zu dieser Arbeit, die 1978 im Syros-Verlag veröffentlicht wurde, heisst es: „Aufgeschreckt durch die Zaghaftigkeit der derzeit für Frankreich verfügbaren Energieszenarien, hat diese Gruppe einfach beschlossen, mit den gerade vorhandenen Möglichkeiten ein Energieszenario zu entwickeln, das auf dem Potenzial der erneuerbaren Energien aufbaut.“ Die 66 Seiten umfassende Arbeit ist gut dokumentiert. Sie hatte zum Ziel, „zu bewerten, was für Frankreich eine Energiezukunft sein kann, die sich langfristig auf die Solarenergie konzentriert und nicht oder nur sehr wenig (und nur kurzfristig) auf die Kernenergie zurückgreift“. Das Projekt beeinflusste diejenigen stark, die später die négaWatt-Analyse erstellten.

 

Philippe Bovet – Präsident négaWatt-Schweiz